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Sergey Kasparov Doubled Pawns 255 Seiten, kartoniert ISBN: 978-1-941270-69-1 21,50 Euro
Doubled Pawns Für sein noch in 2017 von Russell Enterprises in den Markt gegebenes Werk "Doubled Pawns" hat sich Sergey Kasparov ein ausgezeichnetes Thema ausgesucht. Wie es schon der Buchtitel aussagt, geht es um den Umgang mit Doppelbauern. Es soll dem Leser als Führer für die Praxis dienen, was auch der Untertitel "A Practical Guide" bestätigt. Mir ist keine Veröffentlichung bekannt, die sich in gleicher Weise ausnahmslos dem Doppelbauern im Schach widmet; insoweit gehe ich von einer Alleinstellung dieser Arbeit aus.
Doppelbauern gehören zur praktischen Schachpartie wie ein Schauer Regen zum Wetter. Dieser kann fast immer über uns kommen. Bei manchen Wetterlagen gehört er dazu, bei manchen anderen ist er weniger wahrscheinlich. Aber während man bei bestem hochsommerlichen Wetter sich kaum mit einem Schirm vor Ungemach von oben wappnet, sollte man im Schach immer ausreichend auf das Entstehen eines Doppelbauern vorbereitet sein, am besten natürlich mit Knowhow zum Umgang. Einen Schauer Regen assoziieren wir gemeinhin mit eher weniger willkommenen Umständen. Beim Doppelbauern ist dies kaum anders. Aber ist ein Doppelbauer immer nachteilig oder kann er auch von Vorteil sein? Die Antwort auf diese Frage zählt zu den Dingen, die Kasparov vermitteln möchte, ebenso wie den richtigen Umgang mit diesem besonderen Stellungsmerkmal. Dies gilt unabhängig davon, ob man mit einem oder gegen einen Doppelbauern spielt.
Doppelbauern können überall auf dem Brett entstehen. Sie unterscheiden sich also nach der Lage, aber auch nach anderen Umständen, z.B. ob sie isoliert stehen oder nicht. Auch spielt die Partiephase keine unerhebliche Rolle. So sind sie in manchen Eröffnungsvarianten der Normalfall, bestens ausanalysiert und im Verbund mit anderen Stellungsmerkmalen als nicht nachteilig bekannt, während im Endspiel das Ergebnis in der Partie wegen eines Doppelbauern positiv oder negativ ausfallen kann.
Kasparov untersucht das Thema auf der Basis von insgesamt 148 kommentierten Partien. Als fleißiger Turnierspieler verfügt er über so viel eigenes Material, dass er in einem Großteil der Duelle selbst am Brett gesessen hat. Er hat "Doubled Pawns" in insgesamt zehn Kapitel unterteilt. Diesen hat er die Beispiele nach dem Entstehen des Doppelbauern (beispielsweise durch das Schlagen g7xf6/g2xf3), nach deren Lage (beispielsweise in der Brettmitte oder auf der c-Linie), nach ihrer Situation auf dem Brett (beispielsweise isolierte Doppelbauern) bzw. nach der Eröffnungsvariante, die zu ihnen führt (beispielsweise Spanische Partie oder Rossolimo-Angriff in der Sizilianischen Verteidigung), zugeordnet.. Teilweise ergeben sich thematische Überlappungen, so etwa bei Doppelbauern in der Pirc-Verteidigung zu, übersetzt, Doppelbauern in der Brettmitte, die auch in den Bereich der isolierten Doppelbauern ragen. Hier wäre eine "organisatorische" Verbindung denkbar und vermutlich auch für den Leser hilfreich gewesen.
Kasparov arbeitet nicht mit Regeln, die er zum Umgang mit Doppelbauern aufstellt, oder mit Merksätzen. Vielmehr integriert er seine Ansätze unmittelbar in die Kommentierung der Partien. Diese weicht deshalb kaum von jenen ab, die man beispielsweise in einer Partiensammlung findet. Die Betrachtung des Spiels mit einem Doppelbauern oder gegen ihn findet also immer im Verbund mit der taktischen und strategischen Situation auf dem Brett statt. Dies macht zweifellos Sinn, denn natürlich hängt das Urteil über einen Doppelbauern davon ab, in welche Situation er eingebettet ist. Andererseits macht diese Art der Umsetzung "Doubled Pawns" zu einem Buch, das sich eher nicht an den unerfahrenen Spieler richtet. Der Leser sollte bereits so viel eigenes Spielverständnis mitbringen, dass er in der Lage ist, aus den Darstellungen heraus Hinweise zur geeigneten Spielweise selbst zu abstrahieren. Der unerfahrene Spieler wird ausdrückliche Hinweise zum Vorgehen und Regeln vermissen.
Am Ende eines Kapitels hat Kasparov ein kurzes Résumé platziert. Mit sehr gutem Willen kann man hier von dem einen oder anderen Hinweis oder einer Regel sprechen, die der Novize gebrauchen kann, aber nicht wirklich. Er erfährt beispielsweise, dass der Doppelbauer auf der c-Linie zum Doppelbauern gewordene b-Bauer manchmal stärker einzuschätzen ist als bei einem Verbleib auf seiner Linie. Einige Verallgemeinerungen wären meines Erachtens allerdings verzichtbar gewesen. Dass ein Doppelbauer bei einem Anfänger häufig die Folge eines Fehlers und es bei einem starken Spieler darauf ankommt, ob es ein Fehler oder eine bewusste Entscheidung ist, ist eine verzichtbare Feststellung. Gleiches gilt beispielsweise für die Aussage, dass Doppelbauern generell eher nachteilig als von Vorteil sind.
Aufgefallen sind mir ein paar handwerkliche Macken im Text, für die aber vermutlich der Verlag verantwortlich ist. So fehlt auch schon mal ein Zug in einer Variante (beispielsweise zum Rossolimo-Angriff auf Seite 153) oder ein anderes Mal ein Schlagzeichen (beispielsweise zur Russischen Verteidigung auf Seite 185). Den Gebrauchswert des Werkes mindern diese kleinen Fehler nicht.
Die Buchsprache ist Englisch. Mit einem guten Schulenglisch kommt der fremdsprachige Leser gut zurecht. Kleine US-amerikanische Besonderheiten im Schriftenglisch sind bedeutungslos.
Fazit: In der Hand des Lesers, der eine bereits gute Spielstärke erreicht hat, ist "Doubled Pawns" ein empfehlenswertes Buch. Hinsichtlich des unerfahrenen Spielers habe ich Zweifel, ob er seiner Hoffnung entsprechend von dem Werk profitieren kann. In der Konzentration auf den Doppelbauern als solchem im Schach sehe ich ein Alleinstellungsmerkmal dieser Arbeit.
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